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Haushalt 2015: Rede von Barbara Pfister

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
verehrte Vertreter/innen der Presse und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,

die Haushaltssitzung ist ohne Zweifel der wichtigste Tag im Stadtratsjahr, zumal im ersten Jahr einer neuen Mehrheit. Es ist dies der Zeitpunkt, über Absichtserklärungen hinaus nun Farbe zu bekennen und wichtige Ziele mit Finanzmitteln zu unterlegen, sich für den Vorrang bestimmter Projekte und damit – zumindest vorerst – gegen andere zu entscheiden. Es ist auch der Moment, wo der Oberbürgermeister erkennt, ob die Mehrheit des Stadtrates seine politischen Ziele stützt und wo sich zeigt, ob eine Koalition trägt. Was dies angeht, bin ich für die heutige Abstimmung äußerst optimistisch.

Die Ausgangslage für unsere Haushaltsberatungen, insbesondere unsere außergewöhnlich hohen Einnahmen, machen es uns in diesem Jahr etwas leichter als in vielen anderen Jahren, über die Verwendung der Mittel zu entscheiden. Wir können mehrere wichtige und aufwändige Vorhaben auf den Weg bringen, uns dennoch einen Spielraum bei der Liquidität in Höhe mehrerer Millionen erhalten und dabei zudem Schulden in etwa gleicher Höhe abbauen.

Zum ersten Mal hat für diesen Haushalt ein Kämmerer unserer Stadt dem Stadtrat zu Beginn der Beratungen einen finanziellen Spielraum in Höhe von 1 Million Euro zur Verfügung gestellt – wohl in der vergeblichen Hoffnung, wir würden uns damit zufrieden geben… Doch ernsthaft gesprochen halte ich diesen Schritt in Richtung mehr Transparenz und Offenheit im Umgang mit dem Stadtrat für sehr lobenswert – schließlich sind wir die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Erlanger Bürgerschaft und damit in der primären Verantwortung zu entscheiden, wofür die Stadt Geld ausgibt.

Die außergewöhnlich hohen Steuereinnahmen ergeben sich insbesondere bei der Gewerbesteuer: Prognostizierte 88 Millionen sind ein Grund zur Freude, ebenso die vielversprechenden Perspektiven des Siemens Campus. Dies darf jedoch keineswegs Anlass sein, sich zurückzulehnen: Wir brauchen weitere Gewerbeflächen, um Unternehmen im Stadtgebiet die Chance zur Erweiterung oder Neuansiedlung zu geben.

Ebenso wenig ist es angesichts des derzeitigen Geldsegens angebracht, uns hier in Erlangen auf eine vermeintliche „Insel der Seligen“ zurückzuziehen.

Denn wir leben in einer Welt, in der Ungleichheit und Ungerechtigkeit sich verschärfen, die fortwährend neue Gewalt, Kriege und Umweltkatastrophen hervorbringt, die immer mehr Menschen zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Die Aufnahme der Flüchtlinge in unserer Stadt ist eine enorme Kraftanstrengung, zugleich aber nur der erste Schritt auf dem Weg zu echter Integration. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, den Menschen, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen auf den Weg machen mussten, bei uns Chancen zu bieten, ihre Potenziale einzubringen (nach dem Vorbild der Berliner Kampagne „Flüchtling ist kein Beruf“). Hierfür müssen wir auch in Zukunft ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen.

In Europa bergen Austerität, ein unbarmherziger Sparkurs und die erheblichen Ungleichgewichte in der Eurozone auch für Deutschland hohe Risiken. Massenarbeitslosigkeit und soziale Spaltung bieten rechtspopulistischen und fremdenfeindlichen Bewegungen einen Nährboden. Das Gespenst der Deflationskrise – mit unabsehbaren Folgen auch für unsere Wirtschaft – geht um. Damit ist auch die künftige Finanzlage der Stadt mit Unwägbarkeiten behaftet.

Auch in Erlangen gibt es Armut und Ausgrenzung, Menschen, die über viele Jahre zu einem Leben am Existenzminimum gezwungen werden, Jugendliche ohne Ausbildungsplatz und ungleiche Bildungschancen für Kinder je nach ihrem Elternhaus.

Auch in unserer reichen Stadt fehlt es an öffentlichen Ressourcen, die eine umfassende Armutsbekämpfung und die Beseitigung von Langzeitarbeitslosigkeit ermöglichen würden, mit denen wir Integration und Inklusion rascher voranbringen könnten.

Die vielbeschworene „schwarze Null“ im Bundeshaushalt und die günstige Haushaltslage des Freistaats Bayern haben ihre Kehrseite darin, dass wir auch in Erlangen Investitionen in Schulen, städtische Gebäude, bezahlbaren Wohnraum, die Herstellung von Barrierefreiheit immer wieder aufschieben müssen.

Fast haben wir uns schon daran gewöhnt, dies als Normalität hinzunehmen – und doch bleibt es ein eklatanter Missstand! Die Kommunen in Deutschland schieben einen Investitionsstau in Höhe von 118 Milliarden Euro vor sich her – das sind enorme Belastungen für künftige Generationen.

Auch in unserer Stadt gibt es trotz des hohen Investitionsvolumens im Haushalt 2015 – etwa 45 Millionen – eine Reihe von Sanierungsvorhaben und Investitionsprojekten, die wir uns nicht oder nur mit Verzögerung leisten können, obwohl sie dringend erforderlich wären.

Trotz unserer in diesem Jahr günstigen Finanzlage dürfen wir nicht darin nachlassen, die grundsätzliche Schieflage in der Finanzausstattung der Kommunen zu kritisieren und Veränderungen einzufordern – dies gebietet nicht zuletzt die Solidarität mit den vielen Städten in Deutschland und auch einigen in Bayern, deren Situation sich deutlich schwieriger darstellt, wie z. B. in unserer Nachbarstadt Nürnberg.

An der Frage, wieviel städtisches Personal wir uns leisten können, lässt sich die große Lücke zwischen all dem, was die Stadt an Aufgaben übernehmen muss und sollte und dem, was unser finanzieller Spielraum zulässt, besonders deutlich erkennen. Als Ergebnis aus den Vorschlägen der Verwaltung und den Anträgen insbesondere auch der SPD-Fraktion werden in diesem Jahr mehr als 77 neue Planstellen geschaffen. Jede einzelne davon halten wir für gut begründet und notwendig. Einer neuen Mehrheit steht es unseres Erachtens zudem zu, im ersten Jahr nach der Wahl auch durch die Schaffung personeller Ressourcen Schwerpunkte neu zu setzen. So haben wir Stellen für die Betreuung von Verfügungswohnungen, die Fortführung des Club International in der VHS, die Umsetzung der Willkommenskultur im Bürgeramt oder für interkulturelle Elternarbeit beantragt.

In Übereinstimmung mit unseren Partnern in der Ampelkoalition ist uns dabei jedoch absolut bewusst, dass diese Steigerung in den kommenden Jahren nicht fortgeschrieben werden kann, wenn wir unsere finanzielle Handlungsfähigkeit und damit die politischen Spielräume nicht gefährden wollen. Gemeinsam mit allen Mitgliedern des Stadtrats, der Verwaltung und dem Personalrat müssen wir nach Wegen suchen, die Personalkostensteigerungen auf ein verträgliches Maß zu reduzieren, ohne dabei die Personalfürsorge zu vernachlässigen. Diese Diskussion werden wir noch in diesem Jahr beginnen.

Nicht nur in dieser Hinsicht bleibt die SPD-Fraktion damit ihrer Linie aus den Jahren in der Opposition treu: Wir stehen für eine sachlich fundierte, nachhaltige und verantwortungsvolle Haushaltspolitik mit eindeutig sozialdemokratischem Profil, bei der wir stets auch bedenken, wie unsere Forderungen und Vorschläge finanziert werden können.

Unsere inhaltlichen Schwerpunkte in den Bereichen Bildung und Kultur, Umwelt und Soziales verfolgen wir auch in der Regierungsverantwortung konsequent weiter. Viele unserer Anträge haben wir auf Basis unserer programmatischen Ideen entwickelt, viele auch im Dialog mit Initiativen und Vereinen sowie den städtischen Dienststellen.

Jenseits der allgemeinen Rahmenbedingungen der Kommunalfinanzen können wir für 2015 und die Folgejahre feststellen, dass wichtige Investitionen heute mit den notwendigen Mitteln unterlegt werden und der Investitionsstau in unserer Stadt angegangen wird. Über diese Großprojekte – wie die StUB, die Sanierung des Frankenhofs, die städtische Beteiligung am Freibad West und dem neuen Hallenbad, die Fortsetzung des Schulsanierungsprogramms und des Ausbaus der Kindertagesstätten, den Bau des Bewegungs-, Begegnungs- und Gesundheitszentrums – haben wir im Stadtrat bereits mehrfach und ausführlich diskutiert. Mit unseren Anträgen zum Investitionsprogramm der Stadt wird darüber hinaus der Ausbau des Radverkehrs vorangetrieben, der Jugendtreff Innenstadt realisiert und die Ausstattung von Theater und Stadtmuseum verbessert.

Mit dem Erlangen-Pass gehen wir einen wichtigen Schritt zur Förderung der Teilhabe und des sozialen Zusammenhalts in unserer Stadt – als diejenige Fraktion, die sich seit Jahren für dessen Einführung eingesetzt hat, sind wir auf diesen Fortschritt besonders stolz. Weitere gesellschaftspolitische Schwerpunkte sehen wir im Bereich der bisher sehr vernachlässigten Gleichstellungspolitik, der Inklusion und Integration, der Förderung von Angeboten im Bereich Bildung und Kultur und dem Dialog mit der Bürgerschaft. Wir haben zusätzliche Mittel für die Bürgertreffs, ein stärkeres städtisches Engagement für unsere Partnerstadt San Carlos und die Ausweitung des Medienbestands der Stadtbücherei durchgesetzt. Im Bereich der Zuschüsse an Vereine und Initiativen konnten wir eine Reihe von Anträgen – zum Teil auch erstmals – durchsetzen. Stellvertretend seien hier die nach 18 Jahren endlich wieder beschlossenen Mittel für das Frauenzentrum genannt, aber auch die Zuschüsse für Fliederlich e.V., die Erlanger Tafel, die Musikbühne Strohhalm oder die Anger-Initiative.

Die Haushaltsberatungen stützten sich in diesem Jahr auf die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Oberbürgermeister, den Referentinnen und Referenten – und innerhalb der „Ampel“, wo wir auch im Fall unterschiedlicher Vorstellungen stets den Willen zu einem gemeinsamem Kurs in grundsätzlichen Fragen bewiesen haben, ohne dass die beteiligten Fraktionen auf ihr jeweils eigenes Profil verzichten mussten. Die Anträge und Diskussionsbeiträge der anderen Fraktionen und Gruppen im Stadtrat haben wir aufmerksam verfolgt und ihnen in einigen Fällen auch zugestimmt, wo sie eine wichtige Ergänzung darstellten.

Für den fairen und sachlichen Diskussionsstil möchte ich mich im Namen der SPD-Fraktion bei allen Stadtratskolleginnen und -kollegen bedanken. Der Stadtspitze aus Oberbürgermeister und Referentinnen und Referenten sowie den Amtsleitungen und dem Personalrat gebührt ebenfalls Dank für die vielfältigen Informationen und den Gedankenaustausch. Ganz besonders gilt dies für Sie, Herr Beugel, für den Leiter der Kämmerei, Herrn Knitl und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Auch die Arbeit des Sitzungsdienstes, allen voran von Herrn Friedel und Frau Lotter, die unsere manchmal etwas längeren Beratungen geduldig begleitet haben, möchte ich ausdrücklich würdigen.

Unser abschließender Dank gilt den Bürgerinnen und Bürgern, die sich mit ihren Anliegen an uns gewandt haben, und natürlich den Erlanger Nachrichten, die dafür sorgen, dass unsere Beratungen öffentlich wahrnehmbar sind.

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach Jahren des Stillstands kommt Erlangen wieder in Bewegung und geht die aufgestauten Probleme mit Offenheit und Mut an. Mit dem ersten Haushalt einer rot-grün-gelben Koalition steuern wir einen zukunftsorientierten politischen Kurs, der wirtschaftlich und finanzpolitisch kompetent, sozial verantwortungsbewusst und ökologisch ausgerichtet ist.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.