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Antrag: Erneuerbare Wärmenetze

Gemeinsamer Antrag der Fraktion von SPD, CSU, Grüner Liste und Klimaliste, FDP, FWG

Hiermit beantragen wir, der Stadtrat möge die Beauftragung einer Vorstudie beschließen, die mögliche
wirtschaftliche Realisierungspfade für die Bereitstellung der Wärmeenergie für Kunden der Erlanger
Stadtwerke auf Basis eines Konzeptes der lokalen und ggf. im Stadtgebiet dezentral verteilten
Produktion von Wasserstoff und späteren Nutzung dieses in hocheffizienten zentralen und ggf.
dezentralen KWK-Prozessen untersucht. Die notwendige regenerative Energieversorgung soll in
Erlangen und in der Region, d.h. auch in Zusammenarbeit mit den umliegenden Landkreisen, aufgebaut
werden.

Die Untersuchung soll ein Konzept zum Gegenstand haben, bei dem die Abwärme aus dem ElektrolyseProzess für die Wärmeversorgung genutzt wird. Ebenfalls soll das Konzept die Nutzung der vorhandenen Leitungsinfrastruktur für Gas und Wärme sowie der vorhandenen Kraftwerkstechnik (Gasturbine, KWK-Anlagen) bzw. Kosten für deren Umrüstung berücksichtigen sowie die Mengen an Strom aus erneuerbaren Energien ermitteln, die für die Wasserstoffproduktion benötigt würden. Gleichzeitig soll der Strom aus regernativen Energien effizient zur Erzeugung von Wärme durch den
Einsatz von zentraler und dezentraler Wärmepumpentechnik eingesetzt werden.


Begründung:

In den priorisierten Maßnahmen der Beschlussvorlage „Klima-Aufbruch“ in Erlangen –
Sofortmaßnahmen für die Gesamtstadt ist die Wärmewende „Erneuerbare Wärmenetze1“ eine dieser
Maßnahmen zur sofortigen Umsetzung.

Zum Thema Umstellung der Wärmeversorgung auf regenerative Energien hatte auch die SPD-Fraktion
bereits den Antrag 212/2020 „Berichtsantrag für den UVPA: Grünes Gas“ gestellt, auf den wir nun
aufbauen.

„Über die Beschlussvorlage „Klima-Aufbruch W5-Erneuerbare Wärmenetze“ hinaus sind Erlanger
Energiewende-Experten2 wie Stefan Jessenberger oder Nils Ahrens der Überzeugung, dass eine
Vorstudie beweisen würde, dass in absehbarer Zeit die wirtschaftlich darstellbare Umwandlung (bei –
vermutlich – hohem Gesamtwirkungsgrad bei der Nutzung von Strom und (Ab)Wärme) von bis zu
80%[2] erneuerbarem Strom zu grünem Gas („Power-to-Gas“) erfolgen könnte.“

Wäre eine solches „Energie-Cluster“ 2026 realisiert, würden die Bürgerinnen und Bürger Erlangens bei
einem Zertifikatepreis von 65 EURO3 im Jahr 2026 geschätzt folgende Zertifikatekosten einsparen:

  • für die für die Fernwärme benötigten 489 Mio. kWh4 Erdgas jährlich für 108.000t CO2 7 Mio.
    EURO5 und
  • für zugekauften Strom Zertifikatekosten für 21.000t CO2 von 1.3 Mio. EURO6

Mögliche Einnahmen aus dem Emissionshandel sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt! Rückgabe
von so genannten Emissionszertifikate an Dritte soll nur erfolgen, wenn dadurch nicht weiterhin CO2
Emissionen durch Dritte entstehen. Zudem entfiele ein Großteil der für 81 Mio7. Euro zugekauften
Betriebsstoffe. Die vorstehend geschätzten Zertifikatekosten für CO2-Nutzung könnten somit
eingespart und stattdessen in ein innovatives „Energie-Cluster“ investiert werden.
Die in Auftrag zugebende Vorstudie soll im Einzelnen folgendes enthalten:

  1. Die detaillierte Bilanz8 aller eingesetzter Energien zum Betrieb des Fern- und
    Nahwärmenetzes der ESTW;
    1a. Grundlegende Untersuchung einer erneuerbaren Versorgung mit allen sich
    anbietenden Optionen wie zentrale und dezentrale Wärmepumpentechnik, Power to Heat,
    Wasserstofftechnologie etc. unter Berücksichtigung eines erneuerbaren
    Primärenergiefaktors (d.h. möglichst hoher Effizienz der bereitzustellenden erneuerbaren
    Energien) und langfristiger Wirtschaftlichkeit.
  2. Die Kosten der vollständigen Substitution des zum Betrieb des Fern- und Nahwärmenetzes
    der ESTW benötigten Erdgases durch vor Ort, ggf. erzeugter regenerativer Wärme und
    Überprüfung von „grünem Wasserstoff“ auf seinen Anteil und seine Wirksamkeit in dem
    System;
    2a. Die Kosten für den zur Durchleitung des benötigten Bedarfs an Strom notwendigen
    Netzaus- und Umbaus im Netz der Erlanger Stadtwerke und im Umfeld der
    Netzanschlusspunkte zum vorgelagerten Netz, auch so weit, wie diese (insbesondere über
    die Netznutzungsentgelte) externalisiert werden;
  3. Dessen Zwischenspeicherung, Rückverstromung und Wärmerückgewinnung;
  4. Die Kosten der Umrüstung zur Weiternutzung der vorhandenen Anlagen, wie Gasturbinen,
    Block-Heizkraftwerk (BHKW), Wärmespeicher und Erdgas-Infrastruktur;
  5. Inklusive der Projektleitung, des Aufbaus und der Inbetriebsetzung;
  6. Die Kosten für den jährlichen Betrieb und Wartung;
  7. Die eingesparten, bisher zugekauften Betriebsstoffe9;
  8. Die Menge an Strom, die für die Produktion des Wasserstoffes benötigt wird, sowie die Menge an Strom, die bei der späteren Wärmerzeugung in hocheffizienten KWK-Prozessen gewonnen wird und hieraus ermittelt die verbleibende Menge an „grünem Strom“, der aus zusätzlichen eigenen EE-Anlagen gewonnen oder z. B. mittels Power-Purchase-Agreements (PPAs) zugekauft werden muss;
  9. Die zeitliche Entwicklung des CO2 Preises;
  10. Die Mittelzuflüsse durch den Verkauf von Emissionszertifikaten10;
  11. Alle vorhandenen und im politischen Prozess befindlichen, nationalen und europaweiten Fördermittel, deren Beantragungsprozesse und Verfügbarkeiten für diese Infrastrukturmaßname und den Einfluss der Fördermittel auf die Kosten und Wirtschaftlichkeit.
  12. Berücksichtigt werden soll zudem ein durch mögliche Effizienzsteigerungen reduzierter Wärmebedarf, da nur durch ein Zusammenwirken von hoher Effizienz und möglichst sinnvollem Einsatz erneuerbarer Energien die große Herausforderung der Klimaneutralität zu schaffen ist.
  13. Die Ergebnisse der Vorstudie sollen der Entscheidungsfindung zur Beauftragung einer Detailstudie dienen.

Darüber hinaus sollen die Ergebnisse als Basis für Gespräche mit Kommunen in der Metropolregion im
Hinblick auf die Etablierung von Energiepartnerschaften sowie mit überregionalen Projektentwicklern
zur Sondierung von PPAs zur regionalen und überregionalen Beschaffung des „grünen“ Stromes dienen.

In der Vorstudie nicht enthalten sein sollte hingegen:

1. die Betrachtung von Erdgasvolumen, die durch die ESTW an Endverbrauchen durchleitet;

2. Wasserstoff, der in Erlangen an LKW oder KFZ abgegeben werden könnte11.

Um einen Anbieter nach seiner Kompetenz auswählen zu können, wird gezielt eine freihändige
Vergabe der Beauftragung12 angestrebt (Bundesfördermittel sind hierbei zu prüfen, soweit zeitnah
verfügbar).
Die Verantwortung für die Durchführung der Studie und die Auswahl der Gutachter sollte bei den ESTW
liegen. Nur so können wir sicherstellen, dass Synergieeffekte bestmöglich genutzt und eine
Übernahme und Umsetzung der Ergebnisse reibungslos in die Wege geleitet werden kann.

Bei der Auswahl der Gutachter ist auf Neutralität zu achten. Die Forderung nach reibungsloser
Bereitstellung von Betriebsdaten und der Einbindung in Konzeption und Durchführung der ESTW
können am besten entsprochen werden, wenn Auftraggeber- und Gutachterauswahlverantwortung
bei den ESTW liegen. Dadurch ergeben sich Vorteile für eine bessere Beschreibung der
Anforderungen/Aufgabenstellung, und u.a. der Auftragsabwicklungssteuerung. Als Gutachter- oder
Berater zur Konzeptentwicklung wird eine unabhängige Person oder (ggf. wissenschaftliche) Institution
angeraten, die gleichwohl eine praxistaugliche Umsetzbarkeit im Blick hat.


Erläuterungen:

1 „Klima-Aufbruch“ Anlage 2 auf Seite 9-10, Zitat: „So soll die ESTW bis 2030 den fossilen Energieträger Erdgas –
soweit verfügbar und wirtschaftlich darstellbar – schrittweise durch klimaneutrale Alternativen in den
Wärmenetzen der Stadt ersetzen, sodass ein Großteil der heutigen auf Erdgas basierenden Infrastruktur weiter
genutzt und ausgebaut werden kann.“

2 Stefan Jessenberger von der Initiative Energiewende ER(H)langen e.V. Er ist Ingenieur der Siemens AG in
Nürnberg; Nils Ahrens ist Mitglied der FDP im Kreisverband Erlangen, lebt in Erlangen, und arbeitet als Ingenieur
bei der Siemens Energy Global GmbH & Co. KG.

3 20.05.2020 GEMEINSAME PRESSEMITTEILUNG Klimaschutz. Bundeskabinett beschließt höheren CO2-Preis:
„Bis zum Jahr 2025 werden die Zertifikate mit einem auf 55 Euro ansteigenden Festpreis ausgegeben. Ab 2026
wird der Zertifikatepreis dann durch Versteigerungen ermittelt, wobei für 2026 ein Preiskorridor von 55 Euro bis
65 Euro pro Tonne CO2 vorgegeben ist.“

4 ESTW Geschäftsbericht, Seite 13 https://www.estw.de/geschaeftsbericht
Zitat: „Die Ausspeisemenge des Erdgasnetzes stieg auf 1.066,0 Mio. kWh an. Ohne das Heizkraftwerk erhöhte
sich die Transportmenge auf 576,4 Mio. kWh. Die Transportmenge an fremde Händler stieg von 192,8 Mio. kWh
auf 213,0 Mio. kWh.“ Es gilt daher folgende Rechnung: Ausspeisemenge 1.066,0 – Transportmenge 576,4 =
Fernwärme 489,6 [in Mio kWh]

5 108.000t CO2 x 0,22kg CO2/kWhErdgas: https://www.klimaneutral-handeln.de/php/kompens-berechnen.php

6 ESTW Geschäftsbericht 2019: 300,3 Mio. kWhStrom – 47 Mio. kWhEE Strom – 200,8 Mio. kW eigenproduzierter Strom = 52
Mio kWh zugekauften Strom entsprechen bei 0,401* kgCO2 / kWhStrom 1,3 Mio. EURO Zertifikatekosten für 21.000t CO2.
*(dt. Energiemix 2019, geschätzt; Quelle: UBA, Climate Change 13/2020, S. 9)

7 Siehe Fußnote zu I-7

8 Bilanz der beim jetzigem fossilen, und dem zukünftigen EE-Betrieb entstehenden Wärme- und Strommengen
und die residualen Bedarfe an Energien im 15min Takt.

9 ESTW Geschäftsbericht 2019, Seite 21: 5. Materialaufwand a) Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe
und für bezogene Waren -81.660.318,74 (2018: -74.419 Tsd€)

10 Tesla verdient Milliarden mit Abgasen von Fiat und GM https://www.managermagazin.de/unternehmen/autoindustrie/tesla-elon-musk-verkauft-co-zertifikate-fuer-milliarden-an-fiat-und-generalmotors-a-1270695.html

11 Einbezogen werden könnte der Eigenverbrauch der Verkehrsbetriebe der ESTW zum Betrieb von Wasserstoffbussen im regulären Liniendienst.

12 Die Wertgrenze für die Verhandlungsvergabe nach § 8 Abs. 4 Nr. 17 Halbsatz 1 UVgO wird auf 100 000 € ohne Umsatzsteuer festgesetzt. Über § 8 Abs. 3 UVgO hinaus können Aufträge bis zu einem geschätzten Auftragswert von 100 000 € ohne Umsatzsteuer im Wege der Beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden. Auf die Veröffentlichungspflicht nach § 30 Abs. 1 UVgO wird hingewiesen. https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayVV_73_W_11032/true?AspxAutoDetectCookieSupport=1 Bundesgesetz: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/U/unterschwellenvergabeordnunguvgo.pdf?__blob=publicationFile&v=8