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Jahresschlussrede für den Erlanger Stadtrat

Am 11. Dezember hielt Fraktionsvorsitzender Florian Janik die Jahresschlussrede in der letzten Stadtratssitzung des Jahres 2008:

Sehr geehrter Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn es auf das Jahresende zugeht, dann kann man eigentlich gar nicht anders:
Irgendwie fühlt man sich weihnachtlich. – Die sogenannte „stille Zeit“ liegt vor uns.

Aber was bedeutet das eigentlich, „die stille Zeit“? „Zeit“ ist in dem Zusammenhang klar, aber wieso „still“? Sucht man bei Wikipedia nach einer Erklärung, findet man Folgendes: „Die Stille“ (v. althochdt.: stilli ohne Bewegung, ohne Geräusch) bezeichnet in der deutschen Sprache die empfundene Lautlosigkeit, die Abwesenheit jeglichen Geräusches, aber auch Bewegungslosigkeit. Daher auch der Begriff „Stillstand“.

Wenn man sich zurzeit in die Innenstadt – zumindest in die südliche – wagt, dann ist es nicht weit her mit Stille. An jeder Ecke springt einen ein Weihnachtsmann an und überall dröhnen Weihnachtslieder aus den Lautsprechern. Immerhin kann man seit Kurzem eine echte fränkische Bratwurst in unserer Innenstadt genießen. Das lässt einen immerhin innerlich kurz zur Ruhe kommen.

Wahrscheinlich ist mit dieser stillen Zeit also etwas ganz anderes gemeint. Beim Nachdenken darüber ist mir dann auch gleich eine solche Abwesenheit von Geräuschen eingefallen: Kaum ein Aufschrei, kein Gezeter ja nicht einmal ein ernster Widerspruch war zu hören, als in den letzten Wochen die Milliarden aus den Schatzkammern der Republik bereitgestellt wurden, um die gestrauchelten Banken zu retten. Richtig still war es da. Mit ruhigen und ernsten Stimmen und stets mit geradezu andächtigem Blick war zu vernehmen: „Wir tun das, um Schlimmeres zu verhüten.“ Sogar das fast schon heilige Ziel des ausgeglichenen Haushalts, für das im Bund, in den Ländern (auch in Bayern) und in den Kommunen (auch in Erlangen) in den letzten Jahren auf Kosten vieler Menschen Politik gemacht wurde, wurde für die Rettung unserer Banken kurzerhand geopfert.

Ja, ich habe da einen Aufschrei oder zumindest ein Geräusch vermisst, das in der Stille zu hören gewesen wäre. Nicht, weil es im modernen Finanzkapitalismus nicht tatsächlich fatal wäre, die Banken untergehen zu lassen, sondern weil hier plötzlich das Geld da ist, das überall sonst so dringend benötigt wird.

  • Die Klimakatastrophe steht bevor. Jeder weiß, dass nur große Investitionen die Welt davor bewahren können – alles schön und gut, aber wir haben dafür kein Geld.
  • Zwei Milliarden Menschen auf der Welt, viele Millionen Bürger in Deutschland, darunter über zwei Millionen Kinder, leben in Armut. Ja, auch sehr schlimm – aber der Haushalt muss doch ausgeglichen werden!
  • In Bayern ist es seit Jahren ein offenes Geheimnis, dass das Bildungssystem soziale Ungleichheit noch verstärkt: Notwendig wären kleinere Klassen, mehr Lehrer oder die Abschaffung der Studiengebühren – mag ja alles sein, aber die schwarze Null muss doch stehen!

Und dann kommen die Banken ins Spiel und Alles ist auf einmal anders. Auch in Bayern steht zumindest die eine schwarze Null nicht mehr.

Leider ist aber doch nicht Alles anders. Denn die gleichen Personen, die eben noch die Rettung der Banken für notwendig erklärten, werden wieder ganz still, wenn es um die anderen wichtigen Bereiche geht.

Arme Kinder und eine zerstörte Umwelt sind zwar auch tragisch, aber eben keine Bank. Aus manchen Mündern hört man sogar, dass auf uns alle jetzt schwere Zeiten zukommen und weitere Kürzungen der öffentlichen Leistungen bevorstehen, weil ja jetzt die Banken gerettet werden müssen. Dabei wäre es doch gerade mit einer Konjunkturkrise vor der Tür der richtige Zeitpunkt, die Investitionen in die Zukunft in Ökologie, in Bildung und gegen die sich immer weiter ausbreitende Armut anzugehen.

Vielleicht ist ja diese Stille und Starre gemeint, wenn wir von der stillen Zeit reden.

Vielleicht aber doch etwas ganz Anderes. Bei Stille, aber eigentlich mehr bei Stillstand, da fällt einem ja auch sofort Erlangen ein. Laut und schrill werden in Erlangen regelmäßig große Pläne gemacht und herrliche Zukunftsvisionen entworfen. Von allen Seiten war noch vor wenigen Monaten zu hören: Die Schulen, die werden jetzt saniert! Und das Archiv, dass bauen wir! Und die Bäder, das Eine renovieren wir ordentlich und das Andere, da bauen wir sogar noch ein Hallenbad! Ja, und neue Brücken bauen wir auch noch und zwar ganz fix!

Das laute Rufen währte bis zur Kommunalwahl und dann etwas leiser – aber immer noch gut hörbar – bis Ende September. Und dann, fast gleichzeitig mit dem Auftauchen der Schoko-Nikoläuse in den Geschäften und dem Seehofers Horst in München (nach seiner gestrigen Rede auch bekannt als „Horst, das Christkind“!) wurde es wieder ruhiger im Rathaus…
Und von den vielen schrillen und lauten und bunten – aber auch sehr guten, schönen und meist hervorragenden – Plänen verschwanden die Meisten wieder in den Schubladen.

Das passt ja auch gut in die stille Zeit. Wenn draußen alles so beschaulich ist, wer will denn da schon Politik machen?

Und ein bisschen kann ich das ja auch verstehen. Das letzte Jahr war ja mit den beiden Wahlkämpfen politisch ziemlich anstrengend. Da braucht man einfach mal seine Ruhe.

Und diese stille Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, gönne ich Ihnen auch von Herzen. Genießen Sie die vor uns liegenden Tage. Kommen Sie zur Ruhe. Nehmen Sie sich Zeit für Familie und Freunde und starten Sie voller Kraft und Tatendrang und neuem Mut ins neue Jahr.

Denn dann muss es mit der Stille und der Ruhe und vor allem mit dem Stillstand auch mal wieder vorbei sein. Denn zuviel Ruhe und Stille ist schädlich auch in Erlangen. Das findet man bei übrigens auch bei Wikipedia: „Aus Mangel an Außenreizen kann es zu Halluzinationen und zu Denkstörungen kommen.“

Und das will doch keiner.
Also, bis nächstes Jahr.