Nach den Kommunalwahlan am 02. März kam am 02. Mai der neu gewählte Erlanger Stadtrat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. In seiner ersten Rede als Fraktionsvorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion ließ Florian Janik die Kritik an der Ausschusszusammensetzung und der Politik der vergangenen Jahre der Mehrheitsfraktionen nicht unerwähnt, signalisierte jedoch auch Bereitschaft, gemeinsam Lösungen zu finden.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates, sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,
erlauben Sie mir, gerade als Sozialdemokrat und weil Sie in Ihrer Rede das wenig rühmliche Zitat „Sozial ist, was Arbeit schafft“ gebraucht haben, eine historische Vorbemerkung. Heute vor 75 Jahren, am 2. Mai 1933 wurden die deutschen Gewerkschaften von den Nationalsozialisten verboten, die Gewerkschaftshäuser besetzt und Gewerkschaftskolleginnen und –kollegen verfolgt, verhaftet, geschlagen, gefoltert und ermordet. Einerseits besiegten die Nationalsozialisten auf diese Weise einen ihrer gefährlichsten Gegner. Andererseits erfüllten die Nazis den die nationalsozialistische Bewegung unterstützenden Unternehmern damit einen ihrer Wünsche. Unternehmer waren fortan „Betriebsführer“, die Arbeiterinnen und Arbeiter und die Angestellten ihre „Gefolgschaft“. Die Tarifautonomie war ebenso wie Betriebsräte von der Bildfläche verschwunden. Vor 75 Jahren hätten an einer Sitzung des Stadtrates in den meisten deutschen Städten keine Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mehr teilgenommen. Die meisten waren bereits verhaftet, ebenso wie die Kommunistinnen und Kommunisten. Vor diesem Hintergrund ist der Aufmarsch des braunen Packs in der Nachbarstadt Nürnberg gestern am 1. Mai besonders unerträglich und auch deswegen muss die NPD endlich verboten werden. Wir unterstützen die Initiative des DGB, der dieses Thema in einem Appell an sie, Herr Oberbürgermeister, gestern auf der Maikundgebung erneut aufgegriffen hat.
Die Demokratie in der wir heute glücklicherweise leben braucht Demokratinnen und Demokraten. Leider stellen wir seit Jahren bei fast allen Wahlen fest, dass immer weniger Bürgerinnen und Bürger von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen. Bei der letzten Kommunalwahl hier in Erlangen vor wenigen Wochen war es gerade noch etwas mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten. Hinzu kommt, dass sich die Wahlbeteiligung nicht zufällig verteilt. Sozial Schwächere, die Abgehängten in der Gesellschaft, wählen weit seltener als das obere Drittel der Gesellschaft. Menschen mit Migrationshintergrund, die immerhin ein Viertel der Erlanger Bevölkerung ausmachen, so sie denn überhaupt wählen dürfen, beteiligen sich auch unterdurchschnittlich. Wir können und wollen uns nicht damit abfinden und haben daher gemeinsam mit der Grünen Liste einen ersten Vorschlag. Umso mehr verwundert es uns, Herr Oberbürgermeister, dass sie und Mehrheitsfraktionen den von SPD und Grüner Liste gemachten Vorschlag zur Ausweitung der Ortsbeiräte auf das gesamte Stadtgebiet nicht folgen wollen. Solche Gremien tragen zur Beteiligung und Diskussion vor Ort bei. Die um 6 Prozent höhere Wahlbeteiligung in den Ortsteilen mit solchen Beiräten spricht für sich.
Demokratie braucht aber nicht nur Demokratinnen und Demokraten, sondern auch die Diskussion, den Wettstreit der Ideen und gleichzeitig die Toleranz und Akzeptanz von Andersdenkenden. Die von der Mehrheit in diesem Stadtrat und Ihnen, Herr Oberbürgermeister, vorgeschlagene Verkleinerung der Ausschüsse, reduziert die Möglichkeiten der Debatte und der Diskussion anstatt sie zu erweitern. Ihr Vorhaben, alle Positionen, von den Bürgermeistern, bis zu den Ausschuss- und Gremienvorsitzenden
ausschließlich mit Leuten aus ihren Reihen zu besetzen, zeugt nicht von großem demokratischen Geist.
Demokratie braucht aber nicht nur Demokratinnen und Demokraten und Diskussionen, in einer Demokratie müssen auch Entscheidungen getroffen werden. Es darf nicht nur geredet werden. Und geredet haben Sie viel, nicht nur heute, sondern auch in den letzten 12 Jahren. Im Jahr 2007 wurde in dieser Stadt viel von Ökologie und Nachhaltigkeit geredet. Ein bisschen was wurde auch getan. Die Mehrheit hat sich nach langer Zeit zu einem kleinen, wenn auch richtigen Schritt bei der Förderung regenerativer Energie bewegen lassen. Die großen Aufgaben, die Schaffung einer dezentralen Energieversorgung liegen aber noch vor uns. Ungelöst sind nach wie vor die Verkehrsprobleme in Erlangen. Über die Entlastung der Innenstadt und Abwicklung des Pendelverkehrs wurde zwar viel geredet, ich nenne nur Parkraumbewirtschaftung, Stadt-Umland-Bahn, Erlanger-U oder das Semesterticket, umgesetzt wurde aber nichts.
Bereits in diesem Jahr haben die Mehrheitsfraktionen die Chance, es anders zu machen. Der Agenda-Beirat hat mit der Stimme des Oberbürgermeisters das Jahresthema „SozialERlangen“ beschlossen und schlägt ebenfalls mit der Stimme des Oberbürgermeisters dem Stadtrat vor, einen Armuts- und Reichtumsbericht für die Stadt zu erstellen. Ich kann heute schon sagen: Da sind wir dabei! Aber auch in diesem Bereich heißt es Handeln: Sozialtarife oder noch besser der Erlangen Pass als Beitrag zur Armutsbekämpfung müssen ebenso kommen, wie ein deutlicher Impuls im sozialen Wohnungsbau, als ein Baustein der Armutsprävention.
Und bei dem von Ihnen, Herr Oberbürgermeister, für diese Wahlperiode angekündigten Megathema Bildung gilt das Prinzip des Handelns erst recht. Aus zahllosen Untersuchungen wissen wir, dass die Bildung eine wirksame Waffe gegen Armut ist. Gleichzeitig wird Bildung aber sehr stark nach sozialen Kriterien vergeben – auch in Erlangen, wie wir aus der Diplomarbeit von Frau Seebaß wissen. Oder um es biblisch mit Matthäus zu sagen: „Denn wer hat, dem wird gegeben.“ Wenn es Ihnen also ernst ist, Herr Oberbürgermeister, dann haben Sie unsere volle Unterstützung beim Thema Bildung. Der erste Adressat unserer Forderungen muss hier der Freistaat Bayern sein. Wir werden mit Ihnen, immerhin sind Sie ja CSU-Präsidiumsmitglied, den Freistaat dazu bringen, die ungerechten Studiengebühren abzuschaffen. Wir stärken Ihnen den Rücken im Kampf für die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems, eine der bedeutendsten Ursachen für die soziale Schieflage im Bildungssystem. Natürlich müssen wir, um dem Thema gerecht zu werden, auch in Erlangen unsere Hausaufgaben erledigen. Das von uns angestoßene und von Ihnen aufgegriffene Schulsanierungsprogramm ist ein erster Schritt, aber Gebäude allein – und sind sie auch noch so gut in Schuss – bringen noch keine bessere Bildung. Die Kommune kann aber auch selbst etwas tun: Die Schulsozialarbeit verstärken, Berufsfachschulen einrichten, gerade um den vielen Hauptschülerinnen und Hauptschülern eine Perspektive zu geben, Ganztagsschulen an allen Schularten einführen und die verschiedenen Lernorte der Stadt – Schulen, Kindergärten, Kinderkrippen, Horte, Museen, die Volkshochschule usw. – besser vernetzen und gezielt darauf ausrichten, die soziale Selektion zu reduzieren, um nur einige Aspekte zu nennen.
All das kostet natürlich Geld. Die SPD-Fraktion wird daher auch ihre Politik fortsetzen und die Maßnahmen in unseren HH-Anträgen solide finanzieren. Die Vergangenheit hat gezeigt: Alles was wir vorgeschlagen haben, hätte sich stets auch finanzieren lassen. Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die SPD wird ihre Rolle als Opposition mit viel Schwung und Elan annehmen. Wir freuen uns darauf, die genannten Themen, aber nicht nur diese, mit Ihnen zu diskutieren und darüber zu streiten. Wir würden uns noch mehr freuen, wenn wir gemeinsam Lösungen fänden. Wir werden aber ebenso freudig und gewohnt kritisch unsere Alternativen zur Diskussion und Abstimmung stellen, wenn keine gemeinsamen Lösungen möglich oder gewünscht sind. Trotz des schlechten Starts, durch ihren geplanten, machtpolitisch motivierten Durchmarsch bei der Besetzung und Zusammensetzung der Ausschüsse und Gremien, freuen wir uns doch auf die Zusammenarbeit. Sie kann ja jetzt nur noch besser werden.