Die SPD-Fraktion im Erlanger Stadtrat will ein Programm zur Verhinderung von Strom- oder Gassperren und die Vermeidung von Energieschulden für einkommensschwache Haushalte. Der energiepolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dr. Andreas Richter, teilt hierzu mit: „Für Hartz-IV-BezieherInnen wird es immer schwieriger, den Strom aus ihrem viel zu geringen Regelsatz zu bezahlen. Ebenso geht es Menschen mit geringem Einkommen bei Strom und Heizung. Daher müssen wir als Stadt hier handeln.“
Die SPD hat beantragt, das gut funktionierende Energiesparberatungsangebot der ESTW noch weiter zu verbessern. Vorbild ist das Programm der Stadt Nürnberg, das bundesweite Beachtung erfahren hat.
„BürgerInnen, die aufgrund ihrer finanziellen Situation normalerweise nicht die günstigen Tarife bei Strom oder Gas bekommen, sollen zudem durch eine Vereinbarung mit den ESTW über Direktüberweisungen durch das Sozialamt diese erhalten und somit deutlich weniger zahlen“, so Richter. Androhungen von Stromsperren sollen nach Ansicht der SPD nur noch persönlich überbracht werden, sofern dies nicht schon Praxis ist. In Haushalten mit Kindern, Kranken oder bei drohendem Heizungsausfall in der kalten Jahreszeit sollen gar keine Sperren mehr vorgenommen werden. Gas- und Trinkwasser sollen generell nicht mehr gesperrt werden. Hierzu seien Vereinbarungen mit dem Sozialamt über die Zahlungen zu schließen. „Mit unserem Antrag greifen wir u. a. auch Forderungen des Sozialforums auf“, betont Richter.
Der Antrag im Wortlaut:
Für Menschen mit geringem Einkommen wird es in Anbetracht der hohen, langfristig weiter steigenden Energiekosten immer schwieriger, die zu-sätzlich zur Miete anfallenden Kosten für Strom und Heizung aufzubringen. Insbesondere gilt dies für EmpfängerInnen von ALG II, Sozialgeld (Hartz IV, SGB II) oder Sozialhilfe (SGB XII) vor allem durch den viel zu gering berechneten Regelsatz (aus dem der Strom zu bezahlen ist). Die ESTW haben mit der inzwischen im allgemeinen Energieberatungsangebot aufgegangenen Energiesparberatung gezielt für Haushalte, die ALG II, Sozialhilfe oder Wohngeld beziehen, in Absprache mit Sozial- und Umweltamt eine gute und erfolgreiche, kostenlose Beratung aufgebaut, die Kosten nicht nur sparen hilft sondern auch zum Umweltschutz beiträgt.
Die Stadt Nürnberg betreibt bereits seit 2008 ihr noch weitergehendes Programm „EnergieSchuldenPrävention (ESP)“ nicht nur für NürnbergPass-Berechtigte sondern auch für GeringverdienerInnen. Durch die direkte, zielgruppenorientierte Ansprache auch über Sozialverbände und Beratungsstellen, Bürger- und Stadtteiltreffs ist dies besonders erfolgreich.
Bei Wohnungsmängeln werden auch die VermieterInnen einbezogen. ESP hat bundesweit Beachtung erfahren und wurde mit dem Label „Good Practice Energieeffizienz“ der Deutschen Energie-Agentur (dena) ausgezeichnet. Stromsperren hingegen sind eine Maßnahme, die eine Bedrohung der Menschenwürde darstellt. Licht, Kochmöglichkeit, Waschmaschine etc. sind keine Luxusgüter sondern dienen grundlegenden Bedürfnissen. In vielen europäischen Ländern sind daher Stromsperren verboten. Noch dramatischer ist die Situation für die Betroffenen, wenn Gas für die Heizung oder gar Trinkwasser gesperrt wird.
In Nürnberg und noch stärker in Fürth konnte die Zahl der Stromsperren erheblich vermindert werden, indem die lokalen Energieversorger N-ergie bzw. infra ALG-II-, Sozialgeld- und SozialhilfeempfängerInnen die Möglichkeit einer Direktüberweisung der Abschlagszahlungen durch Jobcenter/ Sozialamt angeboten haben. Dadurch können diese auch in einen günstigeren Tarif wechseln, der ihnen u. U. sonst aufgrund ihrer finanziellen Situation verwehrt bleibt.
Die SPD-Fraktion stellt aus diesen Gründen folgenden Antrag:
- Die Verwaltung und die ESTW berichten über die Wirkungen der Erlanger Energiesparberatung sowie über aufgetretene Probleme bei Stromzahlungen und die Anzahl erfolgter Stromsperren.
- Die Verwaltung lädt eineN VertreterIn des Sozialamts Nürnberg in UVPA und SGA ein, die/der das Program „EnergieSchuldenPrävention (ESP)“ vorstellt. Anschließend stellt die Verwaltung Überlegungen an, wo es Sinn macht, das in Erlangen bestehende Energiesparberatungsprogramm u. a. in Bezug auf die zielgruppenorientierte Bewerbung entsprechend dem Nürnberger Vorbild auszubauen und legt einen Vorschlag hierfür vor. Hierzu sind auch Möglichkeiten der Finanzierung über Bundesprogramme wie anfangs in Nürnberg zu klären.
- Die Stadt beauftragt die ESTW, keine Stromsperren mehr durchzuführen, bevor sie nicht Folgendes erledigt hat:
- Die ESTW überbringen, sofern dies nicht ohnehin schon Praxis ist, die Ankündigung einer Sperrandrohung (nach den Vorgaben der StromGVV, nicht die Mahnschreiben) persönlich und überzeugen sich, dass die Betroffenen verstanden haben, dass eine Stromsperre droht.
- Bei diesem Besuch erläutern die MitarbeiterInnen, dass ein Antrag bei der Sozialbehörde auf Übernahme der Stromschulden möglich ist und bieten an, diesen Antrag auf einem mitgebrachten Formular vor Ort zu unterschreiben und diesen Antrag auch dem Sozialamt zu übergeben. Die Bearbeitungszeit wird in jedem Fall abgewartet.
- In Haushalten mit Kindern, Kranken oder Haushalten, in denen in der Heizperiode Heizung oder Warmwasserbereitung nicht mehr möglich wären, verzichten die ESTW auf eine Sperre soweit dies nicht schon die bisherige Praxis ist. Eine solche Sperre wäre unverhältnismäßig im Sinne des § 19 der StromGVV.
- Die/ der ESTW-MitarbeiterIn fragt nach Kindern, Kranken und Art der Heizung/ Warmwasserbereitung im Haushalt und erklärt zudem, dass in o. g. Fällen eine Zahlung mit dem Sozialamt zu vereinbaren ist und informiert dieses.
- Bei Erdgas und Trinkwasser ist zwischen Stadt und ESTW zu vereinbaren, generell keine Sperren mehr vorzunehmen. Wenn eine solche Sperre drohen sollte, ist eine Zahlung mit dem Sozialamt zu vereinbaren.
- Die Stadt vereinbart mit der ESTW nach dem Nürnberger und Fürther Vorbild ALG-II-, Sozialgeld- und SozialhilfeempfängerInnen die Möglichkeit einer Direktüberweisung der Abschlagszahlungen durch Jobcenter/ Sozialamt mit dem dann möglichen günstigeren Tarif für Strom und auch für Gas anzubieten. Damit soll ein verpflichtender Beratungstermin verbunden sein. Dieses Angebot ist durch ESTW und/ oder Sozialamt/ GGFA dem Betroffenenkreis geeignet bekanntzumachen.
- Bei der Erstausstattung oder Ersatzbeschaffungen für Bedarfsgemeinschaften oder SGB-XII-EmpfängerInnen durch die GGFA werden möglichst energieeffiziente Geräte angeboten.
- Falls das Angebot der Energiesparberatung für den Ersatz alter, „energiefressender“ Geräte durch Neuere bei einer Ausweitung des Beratungsangebots nicht ausreichen sollte, ist zu überlegen, auch aus dem Haushaltsposten „Maßnahmen außerhalb des Sozialhilferechts“ Ersatzbeschaffungen für alte Elektrogeräte zu bezahlen.