Rede des Fraktionsvorsitzenden Philipp Dees zum Haushaltsbeschluss im Stadtrat am 12.01.2023
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
zu Beginn möchte ich Dank sagen all denen, die es möglich gemacht haben, dass wir diesen Haushalt beschließen: Herrn Beugel, Herrn Knitl und den Mitarbeiter*innen der Kämmerei, die den Haushaltsplan erstellt und uns nicht nur diesen, sondern auch die Aufbereitung unserer Haushaltsanträge und die Beratungsergebnisse immer zuverlässig und pünktlich für die weiteren Beratungen zur Verfügung gestellt haben. Herrn Ternes, Herrn Redel und speziell Herrn Wein für die Aufbereitung und Begleitung des Stellenplanverfahrens. Den Referent*innen, Amtsleiter*innen und Mitarbeiter*innen, die für unsere Rückfragen zur Verfügung standen. Beim Sitzungsdienst der Ausschüsse, wo die ja oft sehr schnellen und Abstimmungen und Änderungen zuverlässig protokolliert wurden. Und bei allen anderen, die jetzt einzeln nicht auftauchen, aber auch ihren Beitrag zu einem erfolgreichen Haushaltsprozess geleistet haben.
So ein Haushalt ist ein Gesamtwerk vieler, die mitgearbeitet haben. Ihnen allen mein herzlicher Dank, der herzliche Dank der SPD-Stadtratsfraktion.
Bedanken möchte ich mich auch bei Ihnen, liebe Kolleg*innen, für auch dieses Mal wieder konstruktiven, sachorientierten Haushaltsberatungen. Es zeichnet uns hier in Erlangen aus, dass bei allen politischen Differenzen zwischen den demokratischen Fraktionen und Gruppen immer eine Beratungsatmosphäre herrscht, in der wir gut miteinander umgehen.
Und nicht zuletzt möchte ich mich auch bei den Bürger*innen, bei Vertreter*innen von Vereinen, Initiativen und Verbänden bedanken, die sich im Laufe dieser Haushaltsberatungen an uns gewandt, uns Ihre Anregungen und Kritikpunkte mitgeben haben.
Und selbstverständlich auch herzlichen Dank an die Presse, speziell die Erlanger Nachrichten, für die Begleitung und die Berichterstattung über die Haushaltsberatungen.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir beschließen heute einen mutigen Haushalt. Gerade mit Blick auf die Klimakrise reizen wir die Spielräume, die wir für den Haushalt haben – finanziell wir rechtlich – aus. Wir gehen bis an die Grenze des Möglichen – und damit auch ins Risiko.
Wir haben uns entschlossen, unser ambitioniertes Investitionsprogramm nicht vollständig, aber doch sehr weitgehend weiter umzusetzen – trotz der Baukostensteigerungen, die bereits eingetreten sind und trotz aller Unsicherheit darüber, wie sich die Kosten weiterentwickeln. Wir geben einen hohen zweistelligen Millionenbetrag für Klimaschutz aus. Und wir schaffen in einem Umfang neue Stellen, den wir uns im Sommer nicht vorstellen konnten – weil wir das für den Klimaschutz, aber auch für den sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt brauchen.
Wir können das, weil wir in den acht Jahren, in denen die SPD jetzt Verantwortung für diese Stadt trägt, solide gewirtschaftet haben. Wir haben die hohen Steuereinnahmen, die wir seit Jahren erzielen, verantwortlich genutzt. Wir haben umfangreich Verschuldung angebaut – seit 2014 mehr als ein Drittel im Kernhaushalt – und wir haben Rücklagen gebildet.
Und wir können das, weil wir bisher das Glück haben, dass die massive Energie- und Vorproduktkrise, die wir erleben, bisher keine massive Wirtschaftskrise ausgelöst hat. Das hat viel damit zu tun, dass wir eine Bundesregierung, dass wir vor allem einen Bundeskanzler haben, der nach ökonomischem Sachverstand handelt – und nicht nach meinungsstarken Ökonom*innen, so wirtschaftsweise diese auch sein mögen.
Es ist und war diese Bundesregierung, die, ja, auch mit schmerzhaften Entscheidungen, die Energieversorgung dieses Landes und seiner Industrie gesichert hat. Es war und ist diese Bundesregierung, die mit über 200 Milliarden für Entlastungspakete für private Haushalte, für Unterstützung von Wirtschaft und Handel bereitgestellt hat. Es war und ist diese Bundesregierung, die sich damit auch – bisher erfolgreich – der fatalen Entscheidung der Zentralbanken entgegenstemmt, ausgerechnet in eine Angebotskrise hinein die Investitionstätigkeit absenken zu wollen, indem massiv die Zinsen erhöht werden.
Auch diese geldpolitischen Entscheidungen sind ein Risiko auch für unseren Haushalt hier vor Ort, genauso wie die Entwicklungen bei den Energiepreisen und der Versorgungssicherheit, bei den Vorproduktpreisen und Lieferketten, bei der internationalen Lage und den prekären politischen und sozialen Situationen und Entwicklungen gerade auch in vielen großen Volkswirtschaften der Welt.
Bisher haben diese Entwicklungen die Einnahmeseite unseres Haushalts nicht erreicht. Bisher sehen wir Steuereinnahmen weiterhin auf Rekordniveau. Aber die Betonung muss liegen auf: Bisher. Denn wir wissen: Auch in unserer Stadt ist die Situation in vielen Betrieben, im Gewerbe, im Handwerk, im Handel angespannt. Viele schaffen es gerade noch, durchzukommen – aber wenn sich die Situation nicht bald stabilisiert, wenn Energie- und Vorproduktkosten nicht bald wieder verlässlich kalkulierbar sind: Dann stellt sich auch für viele Betriebe bei uns die Existenzfrage. Und wir wissen auch: In unserer Stadt mit ihren vielen großen und kleinen Global Playern hängt die weitere Entwicklung nicht nur davon ab, was hier vor Ort passiert – sondern davon, wie sich die Weltwirtschaft weiter entwickelt.
Deshalb kann man einen Haushalt nicht nach „wird schon gutgehen“ aufstellen.
Ich, wir haben ja auch in diesen Haushaltsberatungen immer wieder gehört, wir sollten doch „mehr Mut“ haben, insbesondere für den Klimaschutz noch höhere Ausgaben bereitstellen und dafür ein noch höheres Defizit in Kauf nehmen. Wenn man Verantwortung für diese Stadt trägt, dann ist das aber keine Perspektive; es ist kein Mut, sondern Übermut. Denn Verantwortung zu übernehmen heißt auch, die langfristige Tragfähigkeit im Blick zu behalten. Wir müssen auch noch handlungsfähig sein, wenn doch noch die Krise ökonomisch durchschlägt und unsere Einnahmen massiv zurückgehen. Es ist auch dem Klimaschutz nicht geholfen, wenn wir in ein, zwei Jahren Projekte abbrechen müssen, wenn wir brutal einfach jede Stelle streichen müssen, die zufällig gerade frei wird, wenn wir die freiwilligen Leistungen, die Förderung von Vereinen und Initiativen, die Kultur, den Sport, unsere städtischen Sozialleistungen, den ÖPNV massiv zusammenstreichen müssen. Und der Blick nach Nürnberg reicht, um zu wissen: Das ist keine Dystopie – sondern ein Szenario, das eintreten kann.
Ich will nicht, dass es so kommt. Und ich bin auch optimistisch, dass es nicht soweit kommt: Weil wir hier vor Ort verantwortlich wirtschaften. Und weil sich eben die Bundesregierung der Krise entgegenstemmt. Aber man kann, man darf die Augen vor diesen Risiken nicht verschließen. „Es wird schon gutgehen“ ist keine verantwortliche Haltung.
Und das war ja nur die Situation auf der Einnahmenseite. Denn auch auf der Ausgabenseite stehen wir vor großen Herausforderungen: Auch uns betreffen die massiven Kostensteigerungen bei Energie und Vorprodukten. Alleine zwischen Haushaltsentwurf und dem heutigen Stadtrat sind die Kosten bei den veranschlagten Investitionen und dem Bauunterhalt um mehrere Millionen gestiegen. Wir wissen, dass die massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten auch steigende Personalkosten bedeuten werden – denn auch bei städtischen Beschäftigten gilt: Applaus zahlt keine Rechnungen. Und vor allem wissen wir: Um den sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt zu erhalten und zu stärken, um Menschen aufzufangen, die in dieser Krise überfordert werden, um die vielen städtischen und nichtstädtischen sozialen Einrichtungen zu erhalten und zu stärken, um das vielfältige Kultur-, Freizeit-, Sport- und Vereinsleben in unserer Stadt zu sichern: Da haben wir schon viel gehandelt und werden wir noch viel handeln müssen.
Vor diesen Herausforderungen beschließen wir heute den Haushalt. Und ihn so zu beschließen, wie wir das heute tun, das ist: Mutig.
Dieser Haushalt vereint zwei Schwerpunkte, die auch unsere in der SPD-Fraktion sind: Klimaschutz und sozialen Ausgleich.
Viele der 70 Millionen Euro Investitionen, die wir mit diesem Haushalt beschließen, dienen auch dem Klimaschutz: Der Ausbau der Radverkehrs-Infrastruktur, die Stadt-Umland-Bahn, die Schul- und KiTa-Sanierungen als Beispiele. Und wo wir neu bauen, wie beim Stadtteilhaus Büchenbach, dem Feuerwehrhaus Dechsendorf, dem Familienzentrum Röthelheimpark, dem KuBiC, diversen KiTas oder dem Campus Berufliche Bildung: Da bauen wir mit den höchstmöglichen Energiestandards. Auch das sind Investitionen in den Klimaschutz.
Mit ihren Haushaltsanträgen hat unsere Fraktion diesen Schwerpunkt Klimaschutz nochmals gestärkt: Eine Million für die Ausweitung der Förderung privater Energiesparmaßnahmen – künftig auch für Mehrfamilienhäuser –, eine Million mehr für klimaneutrale städtische Liegenschaften, 900.000 mehr für die Umrüstung von Straßenbeleuchtung und Ampeln oder 600.000 mehr für Radverkehr und ÖPNV und 100.000 für die Entsiegelung von Schulhöfen.
Gleiches gilt für den sozialen Zusammenhalt: Auch hier setzt schon der Haushaltsentwurf einen Schwerpunkt: Mit den Investitionen in Schulen, KiTas, Stadtteilhäuser und Sportstätten – denn sozialer Zusammenhalt braucht Räume. Mit den vielfältigen und teils schon im Entwurf erhöhten Zuschüssen für soziale Einrichtungen, Vereine, Initiativen aus Kultur, Freizeit, Sport und Jugend. Mit den hohen Ansätzen für das Sozialamt, Jobcenter und Jugendamt. Damit, dass die Mittel für Kultur, Freizeit und Sport weitergeführt und Angebote ausgebaut werden.
Auch hier hat die SPD-Fraktion die Schwerpunkte noch gestärkt: Mit den Mitteln zur Umsetzung des ErlangenPass plus. Mit 100.000 für Hilfen außerhalb des Sozialhilferechts. Mit Zuschusserhöhungen für verschiedene soziale Einrichtungen. Mit fast 90.000 Euro mehr für verschiedene Projekte beim Stadtjugendring, über 100.000 Euro für verschiedene Kulturprojekte, mit über 200.000 Euro im Bereich Bildung. Und wir haben die Weiterplanung des Stadtteilhauses Eltersdorf und den Bau des Feuerwehrhauses Dechsendorf ermöglicht.
Und wir stärken noch einen dritten Bereich: Gender und Diversity. Denn nur eine Gesellschaft, an der alle teilhaben können, ist eine zukunftsfähige Gesellschaft. Hier haben wir Mittel beantragt für die Weiterführung der kostenlosen Menstruationsartikel, für eine Aufklärungskampagne Vielfalt, für ein Projekt quere Stadtgeschichte und für die Kulturförderung speziell für Migrant*innenorganisationen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
eine der größten Herausforderungen jedes Haushalts ist der Stellenplan. Und auch hier sind wir: Mutig.
Für fast vier Millionen Euro schaffen wir neue Stellen. Das ist angesichts der Risiken, vor denen wir beim Haushalt stehen, gewagt – aber vertretbar. Und es ist viel mehr, als Kämmerer und Personalreferent ursprünglich vorgesehen haben.
Wir tun das, weil wir entschlossen sind, beim Klimaschutz mit aller Kraft voranzugehen. Ein Drittel des Stellenplanvolumens, rund 20 Stellen, schaffen wir für Klimaschutzaufgaben. Und das vor allem für Menschen, die konkret Maßnahmen umsetzen und damit für CO2-Reduktion sorgen: Im Gebäudemanagement, im Tiefbauamt, in der Verkehrsplanung, bei der Fördermittelbearbeitung im Umweltamt.
Und diese 20 Stellen sind nur die, die ganz offensichtlich dem Klimaschutz dienen. Denn einige der Stellen, die wir heute schaffen und die so bürokratisch daherkommen und unspannend klingen wie „Sachbearbeitung Personalwesen“ oder „Buchhaltung Zahlungsverkehr“, die brauchen wir als Backoffice im Klimaschutz auch: Wenn wir 20 neue Stellen schaffen, dann brauchen wir auch Menschen, die die Stellenausschreibungen bearbeiten, die Auswahlverfahren führen, Arbeitsverträge anschließen, Gehalts- bzw. Bezügeabrechnungen erstellen etc. Und wenn wir mehr investieren und mehr Fördermittel für den Klimaschutz bewilligen, dann brauchen wir auch Menschen, die die Rechnungen für uns bezahlen und verbuchen. Deshalb: Auch Backoffice ist notwendig!
Auch beim Personal wird der Schwerpunkt sozialer Zusammenhalt gesetzt, vor allem mit dem Stellen im Sozialreferat: Für unsere neuen Kindertagesstätten, für die Umsetzung der Wohngeldreform, des ErlangenPass plus, die Neustrukturierung des Jobcenters und vieles mehr. Das ist Arbeit, auf die wir nicht verzichten können, wenn wir die Gesellschaft in unserer Stadt zusammenhalten wollen. Und deshalb sind auch diese Stellen unverzichtbar. Und deshalb haben wir auch über unsere Anträge zum HFPA diesen Bereich nochmals gestärkt.
Und ja: Obwohl wir so viele Stellen schaffen, schaffen wir eigentlich zu wenig für die Herausforderungen, vor denen wir stehen – im Klimaschutz genauso wie in anderen Bereichen. Wir lassen die Stadtverwaltung weiter an ihrer Kapazitätsgrenze arbeiten – in eigentlich allen Ämtern. Und wir verlassen uns damit auch darauf, dass die Mitarbeiter*innen der Verwaltung weiter so hoch motiviert an und teils über ihrer Leistungsgrenze arbeiten. Aber wir wissen: wir können unsere Mitarbeiter*innen nicht permanent überfordern – und wir sehen bereits in steigender Fluktuation und steigenden Vakanzen, dass das nicht funktioniert. Deshalb werden wir im nächsten Jahr, nach diesem Haushalt und vor dem nächsten auch darüber sprechen müssen, welche der Aufgaben, die immer noch zusätzlich an die Stadt herangetragen werden, wir tatsächlich h übernehmen können – und wo wir Aufgaben reduzieren müssen, um Kapazitäten für neue freizumachen.
Und auch an dieser Stelle ist es wichtig zu betonen: Auch eine reiche Stadt wie Erlangen stößt an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Wenn Bund und Land nicht die Kommunalfinanzen reformieren und mehr Geld für die Kommunen bereitstellen: Dann werden die Kommunen, dann wird auch Erlangen die Herausforderungen nicht so meistern können, wie es notwendig wäre.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wir beschließen heute einen mutigen Haushalt. Einen Haushalt, mit dem wir die Herausforderungen, vor denen wir stehen, mit denen wir insbesondere Klimaschutz und sozialen Zusammenhalt, mit aller Kraft angehen, die wir zur Verfügung haben. Und gleichzeitig wissen wir, weiß meine Fraktion: Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, erfordert noch mehr Handeln. Aber: Uns fehlen dafür die Mittel.
Und deshalb, bei allem Verständnis dafür, dass die Volksfront von Judäa bevorzugt die judäische Volksfront bekämpft, weil sie sie halt vor Augen hat: Den notwendigen Fortschritt, das notwendige mehr an Möglichkeiten erreichen wir nur, wenn nicht gegeneinander kämpfen, sondern gemeinsam gegen die Römer*innen ziehen: Lassen Sie uns dafür kämpfen, dass der Bund und dass vor allem das Land seiner Verantwortung bei Klimaschutz, bei sozialem Zusammenhalt und bei all den großen Aufgaben, die vor uns liegen, gerecht werden. In Erlangen tun wir, was wir können. Und wir würden sofort noch mehr tun, wenn wir die Mittel dafür bekommen. Lassen Sie uns dafür streiten!
Ich bin stolz auf diesen Haushalt. Ich bin stolz, dass es gelungen ist, die Schwerpunkte Klimaschutz und sozialer Zusammenhalt mit aller Kraft anzugehen. Ich bin dankbar für die Mitarbeiter*innen in der Stadtverwaltung und die Menschen in dieser Stadt, die diesen Weg mit uns gehen und sich auch mit voller Kraft einbringen.
Ich bin überzeugt: Mit diesem Haushalt bringen wir unsere Stadt, bringen wir unsere Gesellschaft voran. Wir handeln gegen die Krisen. Und wir sind damit Vorbild für viele andere.
Glückauf.